Die Scheide wird selten vom Krebs befallen, etwa 300 Fälle von Vaginalkarzinomen werden in Deutschland pro Jahr diagnostiziert. Das Therapiekonzept entspricht dem des Zervixkarzinoms: frühe Stadien (I) werden mit einer Operation, fortgeschrittene Stadien (II-IV) mit (Chemo)Radiotherapie behandelt. Für die konventionelle Tumoroperation, die radikale Kolpektomie, gelten ähnliche Argumente wie bereits beim Zervixkarzinom dargelegt. Es handelt sich um eine empirische Operationstechnik, die auf Präparationsartefakten basiert.
Entwicklungsgeschichtlich ist die Vagina ein Subkompartiment des Müllerschen (paramesonephrischen) Kompartiments. Ihre Bildung erfolgt nur beim weiblichen Phänotyp durch Interaktion des Genitalgängesystems mit dem Urogenitalsinus, dem kloakalen Mesenchym, und dem genitalen Zölom-Mesoderm. Die lokale Ausbreitung des Vaginalkarzinoms in den verschiedenen malignen Progressionsstadien kann mit dieser ontogenetischen Anatomie präzise erfasst werden. Ebenso wie beim Zervix- und beim Vulvakarzinom bestimmt das ontogenetische Tumorstadium das Ausmaß des zu resezierenden Gewebes. Als Oberflächen- (epithelialer) krebs bereitet sich das Vaginalkarzinom relativ früh auch über die regionalen Lymphknoten aus. Wegen der festen Beziehung zwischen einem Oberflächengewebe und seinen immunkompetenten Lymphknoten kann auch die regionale Tumorausbreitung mit der ontogenetischen Anatomie über die first-line, second-line und third-line Lymphknotenregionen genau bestimmt werden.