Einfluss der Extrazellulären Matrix auf die Pathogenese der Dystonie und Dyskinesie
Dystonien werden den Dyskinesien zugeordnet und stellen neben Morbus Parkinson und essentiellem Tremor die dritthäufigste Bewegungsstörung beim Menschen dar. Sie sind definiert als ein neurologisches Syndrom, das durch anhaltende unwillkürliche Muskelkontraktionen zu schraubenartigen Bewegungen und abnormen Körperhaltungen führt (Fahn et al., 1987). Wiederholtes Ausüben bestimmter Bewegungen kann die Symptomatik, die mit einer erhöhten Muskelaktivierung einhergeht, hervorrufen und verstärken.
Aufgrund der klinischen und ätiologischen Heterogenität werden Dystonien oft fehldiagnostiziert oder erst sehr spät erkannt. Die Therapie erfolgt in der Regel rein empirisch, ist jedoch meist nicht ausreichend wirksam, weshalb die Erkrankung häufig zu schweren Behinderungen führt. Kürzlich konnte ein Zusammenhang zwischen dem EPS (episodic falling syndrome), einer schweren paroxysmalen Bewegungsstörung, und einer das BCAN-Gen betreffenden Mikrodeletion festgestellt werden (Gill et al., 2012). BCAN codiert für das Proteoglycan Brevican, ein Bestandteil der neuronalen Extrazellulären Matrix (EZM). Innerhalb der perineuronalen Netze (PNN), einer spezialisierten Form der EZM, spielt Brevican eine wesentliche Rolle. Die PNN sind hauptsächlich aus dem Polyzucker Hyaluronsäure, den Chondroitinsulfat-Proteoglycanen (CSPGs wie Aggrecan, Brevican und Neurocan), Link-Proteinen und Tenascin-R aufgebaut und bilden insgesamt einen die Neuronen umgebenden Komplex.
Es ist bekannt, dass diese Extrazelluläre Matrix der Perineuronalen Netzte in Verbindung zu GABAergen Projektionsneuronen der Basalganglien, und insbesondere zu einer Untergruppe inhibitorisch wirkender Interneurone des Striatums steht (Brückner et al., 2008; Brauer et al., 1995). Anhand von Studien am Menschen und verschiedenen Tiermodellen lassen sich in der abgeschwächten Hemmung durch striatale Parvalbumin-positive Interneurone Auswirkungen auf Erkrankungen der Basalganglien, wie der Dystonie, vermuten (Richter und Richter, 2014). Die dtsz Hamstermutante, ein phänotypisches Modell der paroxysmalen dystonen Choreoathetose (paroxysmale Dystonie) weist eine altersabhängige Reduktion der Parvalbumin-positiven Interneurone auf (Hamann et al., 2007). Interessanterweise steht der Mangel an striatalen Interneuronen in zeitlichem Zusammenhang mit der maximalen Ausprägung der Dystonie Symptome, ca. um den 30. Tag Lebenstag, was des Weiteren genau dem Zeitpunkt der vollständigen Reifung der Perineuronalen Netze entspricht (Avchalumov et al., Morawski et al., 2014).
Schwerpunkt dieses Projektes wird sein, die Beziehung zwischen den neuronalen Extrazellulär Matrix Proteinen der Perineuronalen Netze und der Pathogenese der Dystonie und Dyskinesie näher zu untersuchen. Für die Charakterisierung der räumlich-zeitlichen Verteilung und Expression der neuronalen ECM in Bezug auf das Auftreten der paroxysmalen Dystonie in der dtsz Hamstermutante werden etablierte immunhistochemische Marker und biochemische Proteinanalysen genutzt.
Arbeitsgruppe
- Prof. Dr. Dr. Markus Morawski
- Katja Reimann
Kooperationen
Prof. Dr. Angelika Richter, Institut für Pharmakologie, Pharmazie und Toxikologie der Veterinärmedizinischen Fakultät, Universität Leipzig