Die ontogenetische Krebsfeldtheorie betrachtet die
Krebserkrankung, die fortschreitende Zerstörung des Körpers durch neugebildetes
Gewebe, als klinische Manifestation pathologisch reaktiver und persistierender
Entwicklungsprogramme im reifen immunkompetenten Organismus. Die Ausbreitung
eines soliden malignen Tumors erfolgt innerhalb permissiver Geweberäume, in
denen die jeweiligen Entwicklungsprogramme durch die neoplastischen Zellen und
ihre Mikroumgebung umgesetzt werden können. Gemeinsame positionale Informationen
zwischen sekundären peripheren Lymphorganen und ihren Tributärgebieten, die für
den Vollzug der adaptiven Immunantwort erforderlich sind, stellen eine feste
Verknüpfung zwischen lokalen und regionalen Ausbreitungsräumen eines Tumors her.
Im Zuge der malignen Progression durchlaufen Tumorzellen die
Entwickllungsprogramme, die während der Embryonal- und Fetalperiode die
Morphogenese ihres Ursprungsgewebes bewerkstelligt haben, in retrograder
Abfolge. Die Entwicklungsdomänen, in denen die Morphogenese einer bestimmten
anatomischen Struktur in Stadien stattfindet, können bis zum reifen Zustand
verfolgt und topografisch festgelegt werden. Damit lassen sich die permissiven
Gewebedomänen für die jeweiligen Tumoren und das Stadium ihrer malignen
Progression präzise angeben.
Mit der erfolgreichen klinischen Umsetzung der
Krebsfeldtheorie in ein ontogenetisches Tumorstaging und neue
Operationsverfahren- die mesometriale Resektion, Vulvafeldresektion, (lokal)
erweiterte endopelvine Resektion und therapeutische Lymphonodektomie- konnten
wir bei Karzinomen des unteren weiblichen Genitaltraktes sämtliche Thesen der
Theorie untermauern.
Die aktuellen Forschungsprojekte prüfen die
Krebsfeldtheorie für alle Karzinome des mittleren und unteren Genitaltraktes der
Frau, das Endometrium-, Zervix-, Vagina- und Vulvakarzinom. Die Projekte
betreffen zum einen Fragen zur ontogenetischen Anatomie des weiblichen
Genitaltraktes. Ihre Beantwortung dient vor allem dazu, die Reproduzierbarkeit
der neuen Tumoroperationen sicherzustellen. Zum anderen werden auf dem Boden der
Krebsfeldtheorie Voraussagen über die lokoregionale Ausbreitung der
Tumorentitäten gemacht, die mit den tatsächlichen Ausbreitungsmustern verglichen
werden, um die Validität der Theorie auf noch breiterer Basis zu testen.