Arbeitsgruppe PD Dr. Martin Grunwald

​Das Haptik-Labor, das 1996 gegründet wurde, versteht sich als interdisziplinäre Forschungseinheit, die sowohl im Bereich experimental-psychologischer Grundlagenforschung, der klinischen Anwendungsforschung sowie der industriellen Anwendungsforschung arbeitet. Wir verstehen Haptik als die wissenschaftliche Lehre über das Tastsinnessystem des Menschen. Innerhalb dieses Wissensgebietes werden interdisziplinär sowohl aktive Tastwahrnehmungsprozesse (haptische Wahrnehmung) als auch passive Tastwahrnehmungsprozesse (taktile Wahrnehmung) untersucht.​​​

Taktil-vestibuläre Körperstimulation bei Frühgeborenen

Taktil-vestibuläre Körperstimulation bei Frühgeborenen zur Verhinderung von Apnoe-Phasen​​

Aufgrund des ungenügenden Reifungsstatus zeigen Frühgeborene in der Regel schwere Störungen der Atemregulation. Ziel der Studie ist die Entwicklung und klinische Prüfung einer taktilen sowie vestibulären Körperstimulation, welche die Apnoe-Phasen von Frühgeborenen verhindert.

Die normale Schwangerschaft dauert 40 Wochen. Nach der Geburt treten in der Regel keine Störungen der Atemregulation des Kindes auf. Bei Frühgeborenen ab der 25. Schwangerschaftswoche können lebenserhaltende Maßnahmen im Rahmen der Neonatalmedizin für das Kind vorgenommen werden. Aufgrund des geringen Reifungszustandes des Kindes treten jedoch häufig starke Einschränkungen der Atemfunktion bei Frühgeborenen auf. Besonders kritisch sind sogenannte Apnoephasen, in denen das Kind keine selbständige Atemtätigkeit zeigt. Ein wesentliches Merkmal der biologischen Situation von Frühgeborenen ist die mangelnde Körperstimulation des Frühgeborenen innerhalb des Brutkastensystems. Weder ausreichende taktile noch vestibuläre Stimulationen stehen dem Frühgeborenen zur Verfügung. Bekannt ist, daß diese Reizkonfigurationen bei normalen Schwangerschaften einen wichtigen Beitrag zur Ausreifung des kindlichen Gehirns leisten. Um dieses Stimulationsdefizit bei Frühgeborenen auszugleichen und gleichzeitig die auftretenden Apnoephasen zu verhindern, sollen sowohl taktile als auch vestibuläre Stimulationen auf den Körper des Neugeborenen - unter Beachtung der Ergebnisse aus Vorläuferstudien - appliziert werden. Anhand prototypischer Stimulationsmodelle soll die Effektivität der verschiedenen Reizklassen, sowie  die Stimulusstärke und Stimulushäufigkeit ermittelt werden. Nach Testung der Prototypen soll ein geprüftes Funktionsmodell im klinischen Setting evaluativ eingesetzt werden. ​

Arbeitsgruppe

  • PD Dr. Martin Grunwald
  • Dr. Stepahnie Müller
  • M. Sc. Sven Martin​

Finanzierung

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)​

Haptik-Tracking-System

​Während die Fingerkuppen die Oberfläche eines Gegenstandes oder einer Oberfläche abtasten, ist die Hautderformation an den Kontaktstellen meßtechnisch nicht zu erfassen. Ziel des Projektes ist die Entwicklung eines Meßverfahrens, mit dessen Hilfe die Deformationscharakteristik der Fingerkuppen während haptischer Objektexploration im Bereich von 100µm rekonstruiert werden kann.

Seit dem Einzug mobiler Eye-Tracking-Systeme in der Forschung, ist es möglich, die Okulomotorik eines Probanden zu erfassen, ohne invasive Manipulationen am Auge durchführen zu müssen. Es ist seither möglich, die Blicktrajektorien zu verfolgen, Mikrosakkaden zu detektieren und Häufigkeit und Dauer des Auftretens von Fixationspausen zu bestimmen. Verschiedene lebenswissenschaftliche Disziplinen  sind durch diese Methodik seitdem in der Lage, perzeptuelle und motorische Verarbeitungsprozesse mit dem Fokus auf Aufmerksamkeits- und Gedächtnisprozesse  zu untersuchen. Zur messtechnischen Erfassung haptischer Explorationsprozeduren der menschlichen Hände werden aktuell verschiedene Methoden genutzt. Neben klassisch videobasierten Aufnahmesystemen, kommen Ultraschall-Tracking-Systeme, sowie sensorische Handschuh-Systeme zum Einsatz. Jedoch ist die Genauigkeit dieser Systeme nicht ausreichend. Die Grenzen dieser Methoden zeigen sich in einer geringen räumlichen und zeitlichen Auflösung der Messverfahren, der mechanischen Beeinträchtigung der explorierenden Finger und einer weiteren,  grundsätzlichen Einschränkung: denn trotz dieser Methodenvielfalt ist es allen vorgenannten Methoden nicht möglich, das physische Geschehen direkt an den Kontaktstellen zwischen der Oberfläche eines Objektes und den explorierenden Fingern messtechnisch zu erfassen.​

Ziel des interdisziplinären Promotionsprojektes ist es, ein Haptik-Tracking-System zu entwickeln, mit dem sowohl zeitlich als auch räumlich der Explorationsprozess der menschlichen Finger in allen Raumdimensionen - einschließlich der Kontaktflächen - messtechnisch hochauflösend erfasst werden kann. Der räumliche Genauigkeitsbereich des Messsystems soll Bewegungs- und Gewebeveränderungen ab 10µm erfassen können. Die zeitliche Genauigkeit des Messsystems soll im Bereich von 1ms liegen, da es bereits Hinweise auf Explorationseffekte im Bereich von 10ms gibt. In Analogie zu den Eye-Tracking-Systemen soll das Haptik-Tracking-System die Möglichkeit bieten, menschliche Explorationsprozesse der Finger in allen Anwendungsbereichen exakt beobachten und vermessen zu können.

Arbeitsgruppe

  • PD. Dr. Martin Grunwald
  • M. Sc. Sven Martin​

Förderung

Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) Leipzig ​​

Evaluation und Training der Tastsinneswahrnehmung

Evaluation und Training der Tastsinneswahrnehmung zur Verbesserung der Palpationsleistungen Studierender der Veterinärmedizin am Pferde- und Rindersimulator​

Die Palpation des tierischen Körpers ist ein wichtiges diagnostisches Instrument der veterinärmedizinischen Untersuchung. Haptische Wahrnehmungsleistungen sind essentieller Bestandteil der verschiedenen Palpationsverfahren. In der aktuellen Studie wird die Güte der haptischen Wahrnehmung als auch das Maß der Trainierbarkeit bei Studierenden überprüft.

Aufgrund der vorliegenden Befunde soll in der beantragten Studie untersucht werden, inwiefern ein Zusammenhang zwischen der haptischen Wahrnehmungsschwelle der Studierenden und ihren Leistungen während verschiedener Palpationsaufgaben an veterinärmedizinischen Modellen besteht. Zusätzlich soll geprüft werden, ob sich meßbare Wahrnehmungsdefizite durch geeignete Trainingsmaßnahmen ausgleichen lassen. Zur Untersuchung der haptischen Wahrnehmungsfähigkeit bei Studierenden der Veterinärmedizin soll der Haptik-Schwellen-Test und der  Haptik-Figuren-Test  eingesetzt werden. Außerdem sollen veterinärmedizinische Modelle genutzt werden die haptische Anforderungen simulieren und eine aktive Exploration ermöglichen. Ziel ist es sowohl die haptische Wahrnehmungsschwelle als auch die propriozeptive Wahrnehmungsfähigkeit der Studierenden zu messen und deren Einfluss auf die Leistungsfähigkeit der Studierenden bei der Bewältigung palpatorischer Aufgaben am Tiermodell zu ermitteln.​

Der zukünftige intendierte Nutzen dieser Studie ist es, mit einem einfachen und wenig zeitaufwändigen Training, den palpatorischen Lernerfolg der Tiermedizinstudierenden zu steigern und individuelle Unterschiede im Lernerfolg über die gesamte Studiendauer auszugleichen.​

Arbeitsgruppe

  • PD Dr. Martin Grunwald
  • Dr. Stephanie Müller​

Kooperationspartner

Veterinär-Anatomisches Institut der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig​

Neurophysiologische Korrelate

Neurophysiologische Korrelate der Regulation von Emotions- und Arbeitsgedächtnisprozessen durch spontane Gesichtsberührungen​

Feten und erwachsene Menschen berühren sich zwischen 400-800 Mal am Tag mit den eigenen Händen im Gesicht. Ziel des Projektes ist es aufzuklären, welche neurophysiologischen Mechanismen diesem Verhalten zugrunde liegen.

In Vorstudien (Grunwald et al., 2014a) konnten wir nachweisen, dass sich unmittelbar vor und nach spontanen Gesichtsberührungen (spontaneous facial self-touch gestures [sFSTG]) die hirnelektrische Aktivität im Theta- und Beta-band signifikant verändert. Die Veränderungsdynamik der EEG-Parameter – bezogen auf die gesamte experimentelle Situation – unterstützt die Annahme, dass durch spontan ausgeführte Selbstberührungen im Gesichtsbereich Arbeitsgedächtnisprozesse, sowie gleichzeitig emotionale Prozesse reguliert werden. Wenn dagegen Selbstberührungen auf Anweisungen des Versuchsleiters ausgeführt werden, konnten entsprechende prä-post EEG-Veränderungen nicht beobachtet werden. Diese ersten neurobiologischen Befunde zur Funktion von sFSTG stützen die Annahme, dass spontan ausgeführte Körpereigenbewegungen regulatorische Funktionen erfüllen. Da dieses Forschungsthema sowohl auf der Ebene der neurobiologischen Grundlagenforschung als auch auf der Ebene der klinischen Anwendungen vielversprechende Einsichten in das menschliche Verhalten ermöglicht, sollen mit der aktuellen Studie folgende Ziele erreicht werden: a) die Aufklärung der hirnelektrischen Aktivierungsverhältnisse während der Phase der spontanen gesichtsbezogenen Selbstberührung, b) die Analyse der Dauer und der örtlichen Dynamik von sFSTG in Relation zu den hirnelektrischen Aktivierungsverhältnissen vor, während und nach sFSTG und c) Aufklärung der behavioralen Effekte und hirnelektrischen Veränderungen bei aktiver Verhinderung der Ausführung von sFSTG. Es werden insgesamt 35 Männer und 35 Frauen im Altersbereich zwischen 20-35J. mit dem Studienparadigma von (Grunwald et al., 2014a) untersucht. Spektrale- und Wavelet-Analysen des 19kanaligen EEG in den konventionellen Bandgrenzen sollen durchgeführt werden. Bewegungs- und Kontaktdynamiken der sFSTG werden über bereits entwickelte und erprobte mikroprozessierte Beschleunigungssensoren registriert. Die Studie wird von der DFG gefördert.​

Arbeitsgruppe

  • PD Dr. Martin Grunwald
  • Dr. Stephanie Müller
  • Sven Martin​

Förderung

Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ​

Liebigstraße 19, Haus C
04103 Leipzig
Telefon:
0341 - 97 25720
Fax:
0341 - 97 25729
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