Zwölf-Stunden-Tage, sieben Mal pro Woche: Mit großem persönlichen Einsatz war Dr. Amrei von Braun am Aufbau der Corona-Ambulanz des UKL beteiligt.
Dass sich etwas auf Dauer grundlegend verändert hatte, bemerkte Dr. Amrei von Braun, Oberärztin des Bereichs Infektions- und Tropenmedizin, zum ersten Mal bereits im Februar 2020. Plötzlich jagte eine Besprechung die nächste. Mit Bereichsleiter Prof. Christoph Lübbert und ihrem Oberarztkollegen Dr. Henning Trawinski wurden Strategien überlegt, wie umzugehen sei mit dem, was da wohl heraufziehen wird.
Und es dauerte auch nur bis zum 2. März, dann war Dr. von Braun mittendrin im Geschehen. An jenem Tag öffnete am UKL die Corona-Ambulanz. Zuvor reichte zunächst ein Provisorium in einem ungenutzten OP-Saal im Bereich der Zentralen Notfallaufnahme. Doch möglicherweise Infizierte – zu jener Zeit oft Reiserückkehrer aus Ischgl und Tirol – in vorhandenen Strukturen zu behandeln, war allerdings auch unmöglich.
„Nach nur einer Woche stiegen die Besuchszahlen jedoch so an, dass unser Provisorium eigentlich nicht mehr funktionierte, die Telefone klingelten ununterbrochen", erzählt die Infektiologin. An einem Freitagabend erfuhr sie dann, dass in der Schmerztagesklinik im Haus am Park neue Räume für die Ambulanz gefunden worden seien. „Freitagabend wurde beschlossen, am Sonnabend in neuen Räumen zu öffnen", erinnert sie sich. In einem Kraftakt erfolgte der sofortige Umzug. Die Entscheidung war richtig: „200 Leute kamen am ersten Tag, wir wurden völlig überrannt." Die Ambulanz hatte ab diesem Moment an sieben Tagen in der Woche geöffnet. Ärzte anderer Kliniken halfen aus, später dann Studierende.
„Mein eigentlicher Dienst in der Infektiologie fand zu der Zeit nicht mehr statt, keine Sekunde mehr, die Assistenzärzte waren gefordert, zu übernehmen", berichtet von Braun. Immerhin: Die Reiseberatung war weggefallen, dies schaffte etwas Luft. Doch chronisch Kranke mussten weiterbehandelt werden, so viel wie möglich wurde telefonisch erledigt. „Die Infektiologie ist ein kleiner Bereich. Wir konnten tatsächlich nur noch eingeschränkt unseren Kernaufgaben nachkommen."
Das Team in der Corona-Ambulanz – Studierende, freiwillige Helfer, Ärzte, Pflegende – sei von Anfang an eine gute Gemeinschaft gewesen, meint die Ärztin. „Das gab mir ein beruhigendes Gefühl. Das Team strahlte Ruhe auf die Patienten aus. Viele waren stark verunsichert, extrem gestresst oder hatten Angst", sagt Amrei von Braun. „Sie kamen mit unzähligen Fragen zu uns, hatten große Angst vor schweren Verläufen oder Infektionen der Angehörigen. Sie erzählten aber auch von ihren Geldsorgen, veränderten Arbeitszeiten oder Schwierigkeiten bei der Kinderbetreuung."
Diesen Menschen hätte aber, so meint sie, das Gefühl gegeben werden können, dass sich kompetente Mitarbeiter um sie kümmerten.
In Erinnerung bleibt Dr. von Braun diese Phase als „sehr anstrengend": „Wir haben sieben Tage in der Woche gearbeitet, zwölf Stunden am Tag, nur wenige Pausen. Und nachts mussten wir noch die Fälle des Tages dem Gesundheitsamt melden und die betroffenen Patienten informieren." Man habe nie wirklich abgeschaltet.
Als ihre größte Herausforderung in den damaligen Wochen sieht sie die neue Krankheit als solche: „Das Virus hat uns von Woche zu Woche überrascht und tut es bis heute. Diese Krankheit haben wir noch immer nicht vollständig verstanden. Man kennt den Feind nicht." Die Kombination aus neuem Erreger und Pandemie erlebten viele Menschen gerade zum ersten Mal. „Noch immer sind wir auf der Suche nach dem richtigen Weg", sagt Dr. Amrei von Braun.
Trotz Unsicherheiten und gefühlter Bedrohung durch das Virus machte es der UKL-Infektiologin auch Spaß, in diesem Team mitzuwirken: „Wir haben einen kleinen Beitrag geleistet, dass es am Universitätsklinikum Leipzig für Patienten aus dieser Stadt und der Umgebung vielleicht besser lief als anderswo." Dafür sei sie dem Team der Corona Ambulanz sehr dankbar.
Auch gelernt hat Dr. Amrei von Braun etwas in dieser außergewöhnlichen Zeit: „Man muss Ruhe bewahren, sich durchsetzen und sagen, was man dringend benötigt."
Den sprichwörtlichen „kühlen Kopf" auch in unbekannten Situationen zu bewahren, wird wohl weiterhin nötig bleiben: „Wir müssen uns an das Virus gewöhnen, es wird uns lange begleiten", meint die Medizinerin. Gleichwohl sieht sie das Klinikum für den Herbst und den Winter und eine mögliche zweite Welle gut gerüstet. „Die nun aufgebauten Strukturen sollten dann aber möglichst auf nachhaltigeren Beinen stehen", so die Oberärztin.