Prof. Iris F. Chaberny, Direktorin des Instituts für Hygiene, Krankenhaushygiene und Umweltmedizin, und Anja Behne, leitende Hygienefachkraft am UKL, berichten, wie sie die ‚heiße Phase' im Umgang mit dem Coronavirus erlebt haben.
Anfang des Jahres steckte Prof. Iris F. Chaberny als Tagungspräsidentin mitten in den Vorbereitungen für
einen internationalen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie sowie der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie. „Ich hatte zusätzlich zu meiner Aufgabe als Direktorin alle Hände voll zu tun", erzählt sie. „Und dann überschlugen sich die Nachrichten rund um das Coronavirus." Ende Januar erhielt das Institut für Hygiene erste Anfragen zum neuartigen Virus, kurz danach trafen sich das erste Mal Vertreter der Krankenhauseinsatzleitung, um sich zusammen mit anderen Kollegen zum Umgang mit dem Virus am UKL zu beraten. Die Lage war zu diesem Zeitpunkt schwer zu fassen. Keiner wusste, welche Entwicklung sie nehmen würde. „Einer unserer ersten Aufträge war es, die Zahlen zu Influenza aufzubereiten; parallel schauten wir uns den Pandemie-Plan des UKL an und stellten schnell fest, dass dieser dringend überarbeitet werden musste", erklärt Prof. Chaberny. Kurz danach gab es einen ersten Verdachtsfall: Der Vater eines Kindes, das bei uns behandelt wurde, war ein Reiserückkehrer aus China. Schnell musste eine interne Regelung gefunden werden, um in diesem und auch zukünftig auftretenden ähnlichen Fällen adäquat zu reagieren."
In den Tagen darauf stiegen die Anfragen an das Team des Instituts für Hygiene exponentiell an.
„Wir waren so gefragt wie nie zuvor: Um in der neu geschaffenen Task Force Regelungen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des UKL vorzubereiten und gemeinsam festzulegen, mussten wir uns zu allererst einen Überblick über die aktuelle Situation verschaffen." So überprüften Prof. Chaberny und ihre Mitarbeiter die allgemeinen Hygienestandards in den verschiedensten Bereichen, die Regelungen zur Wegeführung sowie die Wartebereiche, sie führten zahlreiche Hygieneschulungen durch und hörten sich die Sorgen der Mitarbeiter auf den Stationen an. „Unsere Aufgabe war es auch, den Kollegen ihre Ängste zu nehmen. Egal wohin wir in dieser Zeit kamen, wir wurden mit offenen Armen empfangen. Das ist nicht selbstverständlich und bis heute ein schönes Gefühl", so Chaberny.
Zurück in ihren Büros erarbeiteten die Mitarbeiter der Hygiene zahlreiche interne Anweisungen – hierzu zählten unter anderem der richtige Einsatz der FFP-Masken, der Umgang mit Verdachtsfällen und Patienten mit positivem Nachweis von SARS-CoV-2 sowie Hinweise zum Aufnahmescreening. „Gleichzeitig standen wir vor der Aufgabe unsere Patienten aufzuklären und so entwickelten wir Flyer mit allen wichtigen Informationen rund um das Coronavirus", ergänzt Anja Behne.
„Eine der größten Herausforderungen in dieser Zeit war es, die Patientenströme adäquat zu leiten. Benötigen wir Zelte? Eventuell Neubauten? Oder müssen wir sogar darüber nachdenken, das UKL ‚dicht' zu machen? Alle diese Fragen kamen auf den Tisch", erklärt Chaberny. „Und das war auch gut so. Schlussendlich profitierten wir von unserer besonderen Bauweise. Zum Beispiel wurden im B-Turm die Stationen B 2.2. und B 2.1 als Isolierstationen zur Versorgung SARS-CoV-2 positiver Patienten eingerichtet. Hier waren die Wege kurz und es konnten keine ‚Löcher' entstehen. Ideal war außerdem, dass wir unsere Corona-Ambulanz im Haus am Park – also abseits des normalen Krankenhausbetriebes – eröffnen konnten."
In der ‚heißen' Phase der Pandemie war ein zwölf bis vierzehn Stunden Alltag für die Kollegen des Instituts für Hygiene normal.
„Wir teilten das Team in mehrere Gruppen auf, um für die vielen Anfragen lange tagsüber erreichbar zu sein und so effizient wie möglich zu arbeiten", erläutert Behne. Da die Empfehlungen teilweise eine kurze Halbwertszeit hatten, war die größte Herausforderung im Team die interne Kommunikation. Unser Corona-Tagebuch umfasst mittlerweile über 50 Seiten, dazu kommen dutzende Protokolle. „Unser Arbeitstag begann um sechs Uhr morgens, gegen 9 und 13 Uhr gab es ein ‚Stand up'-Meeting, um alle neuen Informationen und Arbeitsstände zusammenzutragen. Hier haben alle jederzeit an einem Strang gezogen – das war ganz toll!"
„Ohne die große Unterstützung meines Teams hätte ich die vielen an uns herangetragenen Aufgaben nicht meistern können – ich denke, dass wir gemeinsam sehr viel geschafft haben", so Chaberny. „Ich bin begeistert, wie schnell wir am UKL auf die neue Situation reagiert haben. Diese Selbstverständlichkeit sich gegenseitig zu unterstützen unabhängig von ‚Rang und Namen', eben menschlich und zielorientiert, schätze ich sehr."
Wichtig sei es, so Chaberny, dies auch in den nächsten Monaten so beizubehalten. Die kritische Phase sei noch lange nicht vorbei. „Der Erreger ist ‚plietsch' – so bezeichnet man in Norddeutschland Dinge, die ‚pfiffig' sind. Es wird daher noch dauern, bis ein Impfstoff zur Verfügung steht. Es wäre wünschenswert, wenn in der Zwischenzeit vermehrt Medikamente eingesetzt werden, die manche Krankheitsverläufe immerhin mildern können."