Obwohl wir über gute diagnostische Methoden verfügen, so ist die frühzeitige Entdeckung eines Nierenproblems immer noch eine Herausforderung.
Jede nephrologische Basisdiagnostik besteht aus den folgenden Komponenten:
- Blutparameter (Kreatinin, GFR, evtl. Cystatin C, Elektrolyte, PTH, Blutgasanalyse, Blutbild)
- Urinparameter (Urinstix, Urinkultur, Urinsediment, Proteinquotienten)
- Bildgebung (Ultraschall, Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT))
- (Nierenbiopsie)
Darüberhinaus gibt es eine Reihe weiterer Spezialuntersuchungen.
Kreatinin und glomeruläre Filtrationsrate (GFR)
Die Schwere eines Nierenversagens wird im Wesentlichen mit Hilfe zweier Parameter charakterisiert: dem Kreatinin und der glomerulären Filtrationsrate (GFR). Beide Parameter sind für die Diagnostik nur bedingt geeignet – allerdings verfügen wir noch nicht über bessere Marker der Niereninsuffizienz. Das ist auch ein Teil der Erklärung, warum viele Patienten so spät mit einem Nierenversagen diagnostiziert werden. Dies schränkt auch die potentiellen Behandlungsmöglichkeiten erheblich ein.
Kreatinin wird in der Muskulatur gebildet, in der Niere filtriert, zusätzlich zu einem kleineren Teil auch direkt vom Blut in die ableitenden Harnwege abgegeben, aber nicht rückresorbiert. Liegt ein Nierenschaden vor, dann kann das Kreatinin nicht mehr so gut eliminiert werden, so dass der Blutspiegel ansteigt. Problematisch ist, dass sich der Blutspiegel erst dann erhöht, wenn schon ca. 50 Prozent der Nierenleistung verlorengegangen sind. Man spricht hier auch von einem „Kreatinin-blinden Bereich“. Unglücklicherweise fangen gerade innerhalb dieses Bereiches die größten Nierenzerstörungen an. Kreatinin und GFR stehen dabei nicht in einem umgekehrt linearen Zusammenhang. Steigt das Kreatinin von z.B. 100 µM (=1,13 mg/dl) auf 180 µM (=2,04 mg/dl), so ist das Ausmaß des damit verbundenen Verlusts von Nierenleistung weitaus kritischer einzuschätzen, als das z.B. der Fall bei einem Kreatininanstieg von 200 (=2,26 mg/dl) auf 400 µM (=4,53 mg/dl) wäre. Das ist auch der Grund, warum Patienten, die durch eine Therapie von 400 auf 200 µM Kreatinin fallen, genauso schnell wieder mit ihren Werten auf 400 µM (=4,53 mg/dl) Kreatinin ansteigen können – im Grunde war zunächst der Gewinn an Nierenleistung als eher gering einzuschätzen.
Problematisch ist außerdem die Kreatininbildung in der Muskulatur. Dies begründet die relative Unzuverlässigkeit dieses Markers. Ältere Patienten weisen einen geringeren Muskelanteil am Gesamtkörpergewicht auf, so dass hier die Kreatininwerte eher niedrig liegen. Das bedeutet auch, dass bei dieser Klientel ein Kreatinin von 150 µM (=1,70 mg/dl) das gleiche Maß der Nierenzerstörung anzeigen kann wie vielleicht ein Kreatinin von 300 µM (=3,39 mg/dl) bei einem Bodybuilder.
Die GFR spiegelt die Filtrationsleistung der Nieren wieder. Pro Niere verfügt jeder Mensch über ca. 1 Million Filtrationseinheiten (Nephron), die aus dem Glomerulum und den ableitenden Harnsystem bestehen. Pro Tag stellen die Nieren ca. 170 l Filtrat (=Primärharn) her, der dann in der Niere im ableitenden System um ca. das 100fache konzentriert wird, so dass die gewöhnliche Ausscheidung bei etwa 1 - 2 l/Tag liegt. Eine Schwierigkeit in der Diagnostik von Nierenerkrankungen liegt u.a. auch darin, dass wir zwar die Filtrationsleistung der Niere gut charakterisieren, aber die Konzentrierung nur schlecht beschreiben können. Im Prozess der Konzentrierung finden wichtige Austauschprozesse statt, die für die Stoffwechselfunktion insgesamt von entscheidender Bedeutung sind.
Die normale GFR liegt bei ca. 90 - 120 ml/min und nimmt im Durchschnitt ab dem 40. Lebensjahr um ca. 1 ml/min pro Jahr altersbedingt ab. So liegt die altersangepasste normale GFR eines 80jährigen Mannes bei ca. 50 - 80 ml/min. Obwohl das Alter bei der Berechnung der GFR mit eingeht, unterschätzt die aktuelle KDOQI/KDIGO-Einteilung der chronischen Niereninsuffizienz das "Altersproblem". Oberhalb 75 Jahre wird die GFR nach MDRD sowieso nicht empfohlen, da es hier keine gültige Validierung gibt. Eine Therapieeinleitung bei alten Menschen muss immer gründlich überdacht werden!
Die schlechte Sensitivität der beiden "Marker" Kreatinin und GFR bedeutet auch, dass schon geringe Schwankungen dieser beiden Parameter wirklich ernst genommen werden müssen! An dieser Stelle wäre eine Überweisung zum Nierenspezialisten angezeigt, der dann mit weiteren, ausgefeilten Methoden das klinische Bild vervollständigen kann.
Kreatinin und GFR sagen nichts aus über die Ursache der Niereninsuffizienz. Hierzu stehen uns eine Reihe weiterer Parameter / Methoden wie Antikörperdiagnostik, Komplementsystem, Urinsediment, Ultraschall und Nierenbiopsie zur Verfügung, mit deren Hilfe wir die grundlegende Nierenerkrankung herausfinden können.
Eiweißausscheidung (= Proteinurie) und Blut im Urin (=Hämaturie)
Zwei klinisch führende Symptome sollen hier noch einmal besonders erwähnt werden: Eiweißausscheidung (Proteinurie) und Blut im Urin (Hämaturie).
In der Regel ist jeder Eiweißverlust über den Urin erst einmal als pathologisch einzustufen. Bei Nichtdiabetikern erscheint eine Eiweißausscheidung bis 150 mg pro Tag noch als normal, wohingegen beim Diabetiker >30 mg pro Tag schon behandlungsbedürftig sind (ca. 40fach erhöhtes Risiko für ein koronare Herzerkrankung!). Ein schwererer Eiweißverlust bis zu 1,5 g pro Tag kann ein Zeichen einer Nierenentzündung sein. Ab 3 bis 3,5 g pro Tag entwickelt sich ein sogenanntes Nephrotisches Syndrom, was als eine schwere Dekompensation des Körpers angesehen werden muss.
In jedem Fall ist ein wiederholter Nachweis einer Eiweißausscheidung ein Fall zur Abklärung durch den Nephrologen!
Die Eiweißausscheidung wurde lange Zeit über einen 24-Stunden-Sammelurin bestimmt. Mittlerweile wurde der Sammelurin weitestgehend über die Messung einer Probe eines spontanen Mittelstrahlurins abgelöst. Das hat zu einer deutlichen Verbesserung und Vereinfachung der Methodik geführt. Statt die Proteinurie in g pro Tag anzugeben, wird die Proteinurie nun auf Kreatinin im Urin bezogen (mg Eiweiß pro g Kreatinin). Die reinen Zahlenwerte bleiben die gleichen.
Die Hämaturie kann von asymptomatisch bis zu einem schweren Verlauf als rapid-progressive Glomerulonephritis (RPGN) reichen. Ein Hämaturie erfordert zunächst eine urologische Abklärung. Finden sich sogenannte Akanthozyten und / oder Zylinder aus Erythrozyten im Urin, dann ist die Blutungsursache mit einiger Sicherheit in den Nieren zu suchen. Letztere Situation wird auch als Nephritisches Syndrom bezeichnet. In der Regel geht dies mit einer schnellen Erhöhung der Kreatininwerte im Blut einher, wohingegen das Kreatinin beim Nephrotischen Syndrom sogar normal sein kann. Hinter einem Nephritischen Syndrom verstecken sich nicht selten schwere Systemerkrankungen, welche, wenn nicht schnell genug behandelt, relativ schnell zu einem kompletten Verlust der Nierenfunktion führen können.
Blut im Urin ist immer abklärungsbedürftig! Kann der Urologe in den ableitenden Harnwegen keine Ursache finden, so ist eine Nierenbiopsie durch den Nephrologen zu überdenken. Wird eine Biopsie durchgeführt, so findet der Nephrologe in mehr als 80 Prozent der Fälle eine Ursache für die Hämaturie!