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Dysgnathien (Kieferfehlstellungen)

Dysgnathie HP.jpg

Diagnostik und Operationsplanung

​In der Regel werden vom behandelnden Kieferorthopäden Modelle von Ober- und Unterkiefer erstellt. Hinzu kommt die Auswertung des Fernröntgenseitbildes, das die Analyse der Kieferfehllage ermöglicht. 

Die Operationsplanung erfolgt inzwischen in einem vollständig digitalen Arbeitsablauf. Hierzu werden eine digitale Volumentomographie des Schädels (DVT) und ein digitaler Intraoralscan durchgeführt. Anhand dieser Daten wird die Operation virtuell am Computer geplant. Hierbei können Bewegungen der Kieferbasen in allen drei Ebenen simuliert werden.  Die geplanten Kieferpositionen können mittels im 3D-Drucker erstellten Operationssplinten intraoperativ umgesetzt werden. So können selbst komplexe Kieferdeformitäten planbar korrigiert werden. 

Behandlung von Kieferfehllagen im Oberkiefer

​Der Oberkiefer kann prinzipiell in alle Richtungen verlagert werden. Je nach Ausmaß der Fehllage kann der Oberkiefer dabei als Ganzes oder in Teilen bewegt werden. In Intubationsnarkose wird dabei über einen Zugang vom Mund ohne äußere Schnitte die Mundschleimhaut über den Zähnen durchtrennt und der Kiefer mit dünnen Sägeschnitten gelöst. Anschließend werden die Kieferabschnitte mit feinen Titanplatten stabil mit dem festen Knochen verbunden. Die Knochenschnittführung wird dabei dem Ausmaß der Fehllage und den ästhetischen Gesichtspunkten angepasst.

Besteht kein ausreichender Kontakt der Knochenkanten am Ende des Eingriffs, wird der Spalt mit Spongiosa (= Schwammknochen) vom Beckenkamm aufgefüllt. Die Entnahme erfolgt mit einer in etwa bleistiftdicken Stanze über einen kleinen Hautschnitt, so dass nur eine unauffällige Narbe zurückbleibt.

Ein Sonderfall stellt die Behandlung des zu schmalen Oberkiefers dar. Hierbei wird der Oberkiefer mittig und seitlich mit einem dünnen Sägeschnitt gelöst und anschließend mittels eines auf den Zähnen sitzenden kieferorthopädischen Gerätes langsam gedehnt (= chirurgisch unterstützte Gaumennahterweiterung, GNE).

Behandlung von Kieferfehllagen im Unterkiefer

​Wie beim Oberkiefer ist auch beim Unterkiefer eine Verlagerung in alle Richtungen möglich. Die Verlagerungsrichtung wird durch die vorliegende Kieferfehllage (mandibuläre Prognathie, mandibuläre Retrognathie, Laterognathie usw.) bestimmt. Wie auch beim Oberkiefer gliedert sich die Behandlung in drei Phasen, die kieferorthopädische Vorbehandlung, die operative Kieferverlagerung und die kieferorthopädische Nachbehandlung. Auch eine "bimaxilläre Umstellungsoteotomie", bei der in einem Eingriff Ober- und Unterkiefer verlagert werden, ist möglich.

Sagittale Spaltung des Unterkiefers

Sie ist die gängigste Methode für Umstellungsoperationen des Unterkiefers und wird am häufigsten in den Operationstechniken nach Obwegeser / Dal Pont bzw. Hunsuck / Epker durchgeführt. Der Eingriff erfolgt immer in Vollnarkose. Die gesamte Operation wird von der Mundhöhle aus durchgeführt, so dass keinerlei äußerlich sichtbare Narben entstehen. Der intraoperative Blutverlust ist gering. Ziel der Operation ist es, den zahntragenden Unterkieferkörper in die gewünschte Richtung, vor, zurück oder zur Seite, zu verlagern und gleichzeitig die ursprüngliche Position beider Kiefergelenke beizubehalten.

Die stufenförmige Schnittführung im Knochen ist hierbei so gewählt, dass nach Verlagerung des Unterkieferkörpers eine große Knochenanlagerungsfläche besteht, die beste Voraussetzungen für eine rasche Knochenheilung und eine große Stabilität des Operationsergebnisses bietet. Die Einstellung der gewünschten Unterkieferposition und Verzahnung geschieht wiederum mit Hilfe eines Bissschlüssels aus Kunststoff (Splint). Dieser wird bei der präoperativ an Gipsmodellen durchgeführten Modelloperation hergestellt. Nach der Verlagerung wird der Kiefer in der gewünschten Position durch Miniplatten aus Titan fixiert.

Neben der sagittalen Umstellungsosteotomie des Unterkiefers gibt es noch zahlreiche andere Methoden der Unterkieferverlagerung, die jedoch nur selten bei speziellen Indikationen Anwendung finden.

Distraktionsosteogenese / Kallusdistraktion

​Die Distraktionsosteogenese ist ein Verfahren, dass zur Erzeugung neuen Knochens angewendet werden kann, wenn mit Hilfe der operativen Verfahren keine ausreichende Verlagerung der Kiefer möglich ist. Nach Durchtrennung des Knochens werden die beiden Teile gegeneinander fixiert und über Wochen langsam weiter auseinandergedehnt, wobei im Zwischenraum neuer Knochen gebildet wird.

Oberkiefer

Bei ausgedehnten Oberkieferrücklagen ist eine Kieferverlagerung in einem Schritt problematisch, da zum einen die Blutversorgung des zu verlagernden Kieferabschnittes gefährdet sein kann, zum anderen die Langzeitstabilität oft ungenügend ist. Bei Strecken über 10 mm wird deshalb die Distraktionsosteogenese erfolgreich eingesetzt. Hierbei wird der Kieferabschnitt in der Operation gelöst, jedoch nicht verlagert. Nach einer kurzen Ruhephase wird der Kiefer dann langsam (1 mm/Tag) nach vorne gezogen. Da hierzu eine stabile Verankerung notwendig ist, wird als Verankerung ein aus der Unfallchirurgie stammender Kopfbogen (Halobogen) eingesetzt. Nachdem die beabsichtigte Kieferlage erreicht ist, wird der Kopfbogen nach einer drei- bis achtwöchigen Ruhephase, während der die Verknöcherung erfolgt, wieder abgenommen. Für dieses Verfahren besteht an der Leipziger Klinik europaweit die größte Erfahrung.

Unterkiefer

Liegt der Unterkiefer zu weit zurück oder ist der aufsteigende Unterkieferast sehr stark verkürzt, so dass eine Verlagerung des Unterkiefers um die notwendige Distanz in einem Schritt nicht möglich ist, kommt ebenfalls das Verfahren der Kallusdistraktion zum Einsatz. Die Methode geht auf den russischen Chirurgen Gavril Abramowitsch Ilizarov zurück. Er entdeckte, dass nach Durchtrennung und schrittweiser Auseinanderdehnung (Distraktion) der Knochenenden, eine Knochenneubildung in dem entstandenen Zwischenraum auftritt.

Die Distraktion wird über eine Platte gesteuert in die eine Dehnschraube integriert ist, die langsam aufgedreht wird. Wenn die Unterkieferdistraktion nur in eine Richtung erfolgen muss, können sehr kleine Distraktoren verwandt werden, die innerhalb des Mundes liegen und äußerlich nicht sichtbar sind. Muss in mehrere Richtungen gleichzeitig distrahiert werden, wenn z. B. der aufsteigende Unterkieferast und der Unterkieferkörper beide stark verkürzt sind, müssen voluminösere multidirektionale Distraktoren verwandt werden. Diese liegen sichtbar außerhalb der Mundhöhle und sind über Metallpins, die durch die Wange geführt werden im Knochen verankert.

Bei dieser Form der Distraktion entstehen Hautnarben, die später häufig eine einfache Narbenkorrektur erforderlich machen. Der Knochenschnitt wird glatt im Kieferwinkelbereich des Unterkiefers unter Schonung des Unterkiefernervs (N. alveolaris inferior) angelegt und der Distraktor wird mit Schrauben beidseits der Osteotomielinie fixiert. Da die Verlagerung allmählich und nicht in einem Schritt erfolgt, ist bei der Kallusdistraktion weder ein Zielsplint noch eine starre Drahtverschnürung der Kiefer notwendig.

Der Knochen wird um 2 x 0,5 mm pro Tag gestreckt, bis die gewünschte Kieferlage erreicht ist. Mit Gummizügen erfolgt gleichzeitig eine sogenannte Kallusmodellation, d. h. der noch weiche, nicht mineralisierte Knochen wird in die Form gebracht, die zum Erreichen eines optimalen Zusammenbisses notwendig ist. Daran schließt sich eine Retentionsphase von einigen Wochen an, in der der noch weiche Knochen mineralisiert und fest wird. Ist dies geschehen, ist das Behandlungsergebnis stabil und die Distraktoren können in einer zweiten kleineren Operation wieder entfernt werden.

Auch beim Verfahren der Kallusdistraktion ist im Regelfall die oben geschilderte prä- und postoperative kieferorthopädische Behandlung notwendig.

Kinnplastik (Genioplastik)

​Die geschilderten kieferverlagernden Operationen sind in erster Linie funktionell ausgerichtet, mit dem Ziel eine optimale Verzahnung beider Kiefer zu erreichen. Mit dem Ausgleich einer skelettalen Fehllage der Kiefer verbessern sich in den meisten Fällen gleichzeitig auch das Gesichtsprofil und die Ästhetik. Es kann aber vorkommen, dass bei optimaler Okklusion und Funktion das Kinn zu stark oder zu schwach ausgeprägt erscheint. Dies lässt sich durch eine Kinnplastik korrigieren. Durch eine Genioplastik lässt sich das Kinn nach vorn oder hinten, oben oder unten verlagern.

In der präoperativen Analyse des Fernröntgenseitbildes und in der Computersimulation wird die gewünschte ästhetische Veränderung geplant. Bei der Operation wird vom Mund aus das Kinn dargestellt und unterhalb der Zahnwurzeln eine Kinnscheibe abgetrennt, die seitlich bis in den Bereich der kleinen Backenzähne reicht. Diese kann nun entsprechend der Vorplanung noch vorn oder hinten verschoben werden und wird dann in der gewünschten Position mit Titan-Miniplatten fixiert. Soll das Kinn verkürzt werden, wird zusätzlich ein entsprechender Knochenkeil herausgesägt.

Soll das Kinn verlängert werden, wird die abgetrennte Knochenscheibe nach unten verlagert und der entstandene Zwischenraum mit Schwammknochen (Spongiosa) aufgefüllt, der mit einer dünnen Zylinderstanze aus der Beckenkammschaufel über einen kleinen Schnitt entnommen wird. Die bei den geschilderten Operationen eingebrachten Titan-Miniplatten können nach sechs bis zwölf Monaten in einem zweiten kleineren operativen Eingriff entfernt werden.

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