Leipzig. Wird bei Gebärmutterhalskrebs der Tumor zusammen mit dem sogenannten Krebsfeld als potentiellem Ausbreitungsgebiet entfernt, verbessern sich die Heilungschancen selbst bei fortgeschrittenen Erkrankungen. Diese zusammengefassten Ergebnisse aus einer Studie zur Untersuchung der am Leipziger Universitätsklinikum entwickelten Operationsmethode MMR (mesometriale Resektion) wurden jetzt in Lancet Oncology, einem der renommiertesten onkologischen Fachjournale, veröffentlicht.
Bei der untersuchten Methode werden Tumoren am Gebärmutterhals, zusammen mit weiterem Gewebe entfernt, dass zu dem entwicklungsbiologisch festgelegten Ausbreitungsgebiet des Tumors gehört. Dieses sogenannte Krebsfeld folgt dem Ursprung des jeweiligen Gewebes. Das bedeutet, dass Gewebe, welche sich aus den gleichen embryonalen Strukturen entwickelt haben, eher von Tumorzellen befallen werden als andere, ebenfalls benachbarte Gewebe. Ausgehend von diesen Forschungsergebnissen wurde bereits 1999 an der Klinik für Frauenheilkunde am Universitätsklinikum Leipzig mit einer Studie zu einem darauf basierenden neuen Operationskonzept, der mesometrialen Resektion, begonnen. Mit dieser von Prof. Michael Höckel entwickelten Operationstechnik werden neben dem Tumor die verwandten Gewebe entfernt, so dass das Risiko eines Tumorrückfalls deutlich gesenkt wird. Dank der umfassenden Operation kann dabei auch auf eine anschließende Bestrahlung verzichtet werden. Die Studie zeigt, dass gleichzeitig die Überlebenswahrscheinlichkeit der Patientinnen sehr hoch ist: "Nach fünf Jahren lag diese bei 89,4 Prozent, und das, obwohl bei einem Drittel der Patientinnen der Tumor vor der Operation bereits in die Lymphknoten gestreut hatte", sagt Prof. Bahriye Aktas, Direktorin der Klinik für Frauenheilkunde am UKL. "Das sind deutlich bessere Ergebnisse, als wir mit den bislang üblichen Standard-Operationsverfahren erreichen." Bei Patientinnen mit einem kleineren Tumor ohne Lymphknotenbefall lag die Überlebenswahrscheinlichkeit nach fünf Jahren sogar bei 97,5 Prozent.
Diese jetzt von den Leipziger Medizinern in Lancet Oncology veröffentlichten Studienergebnisse belegen, dass mit der MMR-Methode sehr gute Heilungschancen erreicht werden können. Insgesamt wurden in der Studie 523 Patientinnen mit häufig fortgeschrittenem Gebärmutterhalskrebs über durchschnittlich fünf Jahre nach der Operation begleitet.
"Ein weiterer wichtiger Inhalt der Studie war die Entwicklung und Überprüfung einer Stadieneinteilung für das Zervixkarzinom, also den Gebärmutterhalskrebs, die entwicklungsbiologische Gesichtspunkte berücksichtigt", erläutert Dr. Benjamin Wolf, Arzt an der Klinik für Frauenheilkunde des UKL und Mitautor der Studie. Dazu haben ganz wesentlich die detaillierten Auswertungen beigetragen, die der Pathologe Prof. Lars-Christian Horn über den gesamten Studienzeitraum vorgenommen hat. "Hier konnten wir sowohl für die lokale Tumorausbreitung als auch erstmalig für die Tumorausbreitung in Lymphknoten zeigen, dass eine entwicklungsbiologische Einteilung eine genauere Vorhersage hinsichtlich des Überlebens ermöglicht als die herkömmliche Stadieneinteilung", so Wolf.
Bei den üblichen Operationsmethoden wird der Tumor mit einem metrisch definierten Sicherheitsabstand zusammen mit den Lymphknoten im Becken entfernt. Zudem muss bei vielen Patientinnen anschließend eine Bestrahlung mit teilweise belastenden Nebenwirkungen durchgeführt werden.
"Die jetzt publizierten Studienergebnisse belegen die Wirksamkeit des Leipziger Operationskonzeptes und geben uns so die Möglichkeit, unseren Patientinnen künftig wirkungsvoll helfen zu können", so Prof. Aktas. Die Gynäkologin hat das Operationskonzept von ihrem Vorgänger Prof. Michael Höckel übernommen und setzt seine Arbeit am UKL fort, auch durch regelmäßige Operationskurse für Kollegen. "Unser Ziel ist es, vielen Frauen eine Behandlung nach dieser Methode und damit eine Heilung zu ermöglichen", so Aktas.
Originalpublikation:
Surgical resection based on ontogenetic cancer field theory for cervical cancer: mature results from a single-centre, prospective, observational, cohort study. In: The Lancet. Oncology 20 (9), S. 1316-1326. DOI: 10.1016/S1470-2045(19)30389-4.
Link:
https://www.thelancet.com/journals/lanonc/article/PIIS1470-2045(19)30389-4/fulltext