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Pressemitteilung vom 23.05.2023

Refeeding-Syndrom bleibt häufig unerkannt

Selbstentwickeltes automatisiertes Diagnose-Unterstützungssystem kann dies ändern und warnt am UKL rechtzeitig vor schweren Folgen einer Mangelernährung

Das Team der Ernährungsmedizin am UKL kommt zusammen, wenn das automatisierte System einen Alarm für einen Verdacht auf das Refeeding-Syndrom auslöst.

Das Team der Ernährungsmedizin am UKL kommt zusammen, wenn das automatisierte System einen Alarm für einen Verdacht auf das Refeeding-Syndrom auslöst.

Leipzig. Mangelernährung birgt viele Gefahren für die Gesundheit der Betroffenen und bleibt auch für Mediziner:innen oft eine Herausforderung. Eine davon ist das sogenannte Refeeding-Syndrom, wenn mangelernährten Menschen nach längeren Phasen mit keiner oder nur sehr wenig Nahrungsaufnahme dann plötzlich zum Beispiel während einer Krankenhausbehandlung wieder Nahrung zugeführt wird. Oft bleiben die damit verbundenen Symptome unerkannt, was im schwersten Fall zum Tod führen kann. Um solche Situationen zu verhindern, wurde am Universitätsklinikum Leipzig (UKL) ein deutschlandweit einmaliges Warnsystem etabliert, mit dessen Hilfe rechtzeitig gegengesteuert werden kann.

Zu geringe oder fehlende Kalorienaufnahme ist eine durchaus häufige Begleiterscheinung verschiedener Erkrankungen. Etwa 35 Prozent der Patient:innen in Krankenhäusern sind laut dem Ernährungsbericht 2019 der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) von Mangelernährung betroffen, 20 Prozent in schwerer Form.  Bei einer Krankenhausbehandlung erfordert dies neben der Therapie der Grunderkrankung eine gesonderte Versorgung. Denn wird die Nahrungsaufnahme nach einer längeren Phase der Unterernährung in der Klinik wieder aufgenommen, kann dies zu ernsten gesundheitlichen Problemen führen, dem sogenannten Refeeding-Syndrom (RFS). Dieses Risiko besteht in etwa 8 bis 14 Prozent der Fälle. 

"Da das Refeeding-Syndrom aber wenig bekannt ist und dessen Symptome sehr unspezifisch sind, ist es für die behandelnden Ärzt:innen nicht einfach, es zu erkennen", beschreibt Dr. Haiko Schlögl die Herausforderung. "Es kann bei jeder Form der Nahrungsaufnahmen auftreten, egal, ob einfach reguläre Mahlzeiten eingenommen werden oder die Patient:innen speziell ernährt werden, zum Beispiel über eine Sonde", führt der Internist und Ernährungsmediziner aus, der als ärztlicher Leiter des Ernährungsteams am Universitätsklinikum Leipzig für die Betreuung solcher Patient:innen verantwortlich ist. 

Die Symptome sind oft unklare Beschwerden des Kreislaufs und des Nervensystems, die aufgrund der Verschiebungen im Mineralstoff- und Flüssigkeitshaushalts im Körper auftreten. "Internationale Befragungen unter Mediziner:innen haben gezeigt, dass nur deutlich weniger als 20 Prozent dieses Krankheitsbild erkennen und gezielt behandeln", führt Prof. Michael Stumvoll, Direktor der Klinik für  Endokrinologie, Nephrologie und Rheumatologie, aus. 

Das aber ist nötig: Wird nicht rechtzeitig gegengesteuert, können die Betroffenen sterben. "Um das zu verhindern, muss die Wiedereinführung der Ernährung in kalorienreduzierter Form erfolgen und eine gezielte Versorgung mit bestimmten Elektrolyten und Vitaminen beinhalten", ergänzt Lars Selig, therapeutischer Leiter des Ernährungsteams am UKL.  

 

Zwei bis drei Alarme pro Woche

Das Team hat eine erfolgreiche Implementierung eines speziellen Screeningssystems für Mangelernährung eingeführt, welches Patient:innen bereits bei Aufnahme identifiziert und so dafür sorgt, dass diese anschließend ernährungstherapeutisch betreut werden können. "In unserem Analyse- und Meldesysten AMPEL werden Laborbefunde in Echtzeit mit Blick auf bestimmte Grenzwerte analysiert, so dass bei kritischen Werten umgehend eine Alarmierung der behandelnden Ärzt:innen erfolgt", erläutert Prof. Berend Isermann, Direktor des Instituts für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und Molekulare Diagnostik am UKL.
Nun wurden diese Maßnahmen um ein gemeinsam entwickeltes klinisches Entscheidungssystem ergänzt, dass anhand von Echtzeit-Laborwerten automatisiert RFS-Verdachtsfälle identifiziert und das Ernährungsteam alarmiert. "In einer sechsmonatigen Testphase wurden auf dieses Weise 21 Patient:innen identifiziert, bei denen ein RFS bestand", sagt Dr. Haiko Schlögl. Eine parallele Befragung der behandelnden Ärzt:innen ergab, dass mehr als die Hälfte das Krankheitsbild ohne die automatisierte Diagnose nicht erkannt hätten. "Das zeigt, dass zum einen die automatisierte Entscheidungshilfe eine zuverlässige und gute Unterstützung liefert, wir zum anderen aber auch das Wissen der Mediziner:innen über das Refeeding-Syndrom verbessern müssen", resümiert Schlögl. 

Am Universitätsklinikum Leipzig wurde das Entscheidungssystem nach der erfolgreichen Probephase nun deutschlandweit erstmalig regulär etabliert. Dass dies erforderlich ist, bestätigen die Ergebnisse - das Ernährungsteam erhält über das System zwei bis drei Alarme pro Woche.      

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